Die Geschichte

Das Staatliche Bauhaus wurde im April 1919 in Weimar gegründet. Vorläufer waren die 1860 von Großherzog Carl Alexander eingerichtete Großherzoglich-Sächsische Kunstschule und die 1907 entstandene Großherzoglich-Sächsische Kunstgewerbeschule. Deren Leiter, der Belgier Henry van de Velde, entwarf die beiden zentralen Gebäude, die bis heute die Universität beherbergen. Van de Velde musste im Ersten Weltkrieg Deutschland verlassen. Als Nachfolger schlug er den Architekten Walter Gropius vor, der nach dem Krieg die neue Schule ins Leben rief. Das Bauhaus blieb bis 1925 in Weimar, dann siedelte es nach Dessau über. Das hatte vor allem politische Gründe: Im nationalistischen Milieu Weimars nahmen die Angriffe auf die international ausgerichtete Reformhochschule mit ihren selbstbewussten Lehrern, radikalen Ideen und innovativen Lehrformen zu.

In Weimar verblieb nur eine 1926 errichtete Bauhochschule. Während der Zeit der DDR bestand sie als Hochschule für Architektur und Bauwesen fort. Nach der Wende von 1989/90 wurde sie erweitert; daraus ging 1996 die Bauhaus-Universität Weimar hervor, die mit ihren vier Fakultäten – Architektur und Urbanistik, Bauingenieurwesen, Kunst und Gestaltung sowie Medien – auf Differenz und Kooperation setzt: Vielfalt und disziplinäre Exzellenz stellen die Basis, Gemeinsamkeit und interdisziplinäre Zusammenarbeit benennen Fokus und Vision der Universität.

Was macht das Besondere des historischen Bauhauses aus Sicht der heutigen Bauhaus-Universität Weimar aus, worin liegt seine Bedeutung für die Gegenwart?

Ideen
Der Name »Bauhaus« spielte auf die mittelalterlichen Bauhütten an, aber die Gründer des Bauhauses blickten keineswegs zurück; sie wollten einen radikalen Neuanfang. Manche entstammten dem Umfeld der Lebensreformbewegung der Jahrhundertwende oder hatten wie Gropius vor dem Ersten Weltkrieg dem Deutschen Werkbund angehört, der Handwerk und Industrie versöhnen und über die Kunstfertigkeit zur Veredelung der maschinellen Produktion beitragen wollte. Viele engagierten sich nach dem Weltkrieg im Arbeitsrat für Kunst. Hier suchten Künstler den Anschluss an die Rätebewegung. Sie hofften, bei der Neugestaltung von Politik und Kultur in Deutschland mitwirken zu können, indem sie an der Lösung der sozialen Aufgaben der Zeit arbeiteten.

Architektur und Kunst galten dabei nicht nur als Instrumente der Sozialpolitik, sondern als Keimzellen eines Neuanfangs. Daraus sollte eine erneuerte Gesellschaft hervorgehen, welche die sozialen Risse des Kapitalismus und der Nachkriegsnot überwand und – beispielsweise in neu entworfenen Idealstädten – zur Gemeinschaft fand. Alle Gewerke und Disziplinen, Techniker, Handwerker, Künstler und Architekten, sollten zusammenwirken, um ein Gesamtkunstwerk zu errichten.

Persönlichkeiten
Das Staatliche Bauhaus von 1919 wurde von Persönlichkeiten geprägt und es wollte Persönlichkeiten formen. Es vermittelte nicht nur Techniken – das auch: Tischlern, Weben, Töpfern, Metallbearbeitung, Wandmalerei, Glasmalerei und vieles andere wurden hier gelehrt. Es vermittelte aber vor allem Herangehensweisen an die Fragen der Zeit. Wie die Menschen als soziale Wesen im Zeitalter der Maschine ihre Umwelt und ihr Zusammenleben neu gestalten könnten, wie über Form und Stil neue Inhalte geschaffen, Werte vermittelt und sozialer Zusammenhalt gestiftet werden könnten – das zählte zu den Fragen, denen sich die Lehrenden am Bauhaus widmeten.

Eine ungewöhnliche Kombination von Gestaltern und Künstlern arbeitete hier. Das reichte von Gropius selbst, der als Direktor und Architekt die Moderne gestalten wollte, über Lyonel Feininger, Walter Kandinsky, Oskar Schlemmer oder Paul Klee bis zu dem Maler Johannes Itten, der sich gerade gegen die Moderne wandte und Inspiration in fernöstlichen Konzepten suchte. Tatsächlich wollten die Lehrer am Bauhaus wie andere radikale Reformbewegungen der Zeit einen »Neuen Menschen« schaffen, genauer: einen Menschentypus, der unter den Bedingungen der Moderne bestehen konnte.

Werke
Dem Bauhaus ging es nicht nur um die Versöhnung von Handwerk, Kunst und Industrie, sondern auch um die sachlich-funktionale Gestaltung der Alltagswelt, von Bauten, Möbeln und Gebrauchsgegenständen. Die Form sollte der Funktion angemessen sein, Zierrat galt es zu vermeiden, die jeweils spezifische und aufgabengerechte gestalterische Lösung zu finden. Kommerziell einträglich war das vorerst nur in Ausnahmefällen. Manche dem Bauhaus zugeschriebene Werke wie die Wagenfeld-Lampe oder der Freischwinger-Sessel wurden aber berühmt, vielfach adaptiert und kopiert. So lebten sie fort und gingen sie in die Alltagskultur ein – bis heute und überall auf der Welt. Denn das Bauhaus wurde noch in der Zwischenkriegszeit zum transnationalen Modell.

Viele Vertreter des Bauhauses mussten Deutschland nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 verlassen; ihre Ideen und Werke wanderten mit über den Globus, wurden aufgegriffen und unter anderen Bedingungen und an anderen Orten genutzt; von dort wirkten sie wieder auf Deutschland und Weimar zurück.

Orte
Die Gründung des Bauhauses ist von der Stadt Weimar nicht zu lösen, und zugleich ist sie gebunden an die mittlerweile zum Weltkulturerbe gehörenden Bauten Henry van de Veldes. In Weimar und auch in den Universitätsgebäuden überlagerten sich seit 1919 immer neue Schichten, aus der Klassikerstadt wurde eine Stadt der Moderne. Dazu gehören der Zusammentritt der Deutschen Nationalversammlung im Februar 1919 ebenso wie das im »Dritten Reich« errichtete, unvollendet gebliebene »Gauforum« oder die Bauten der DDR-Zeit, an erster Stelle das Studentenwohnheim »Jakobsplan« (der sogenannte »Lange Jakob«), sowie die Konfrontation mit dem nahen Konzentrationslager Buchenwald und dem wechselvollen Buchenwald-Gedenken.

Was bedeutet diese Geschichte für die Bauhaus-Universität Weimar heute? Auch die Universität steht für eine konsequente und radikale Zeitgenossenschaft, für fachliche Expertise und interdisziplinäre Kooperation, für lokale Verwurzelung und internationale Offenheit, für Geschichtsbewusstsein und den beständigen Neuaufbruch, für den Willen zu erkunden, zu lernen und zu gestalten. Heute glauben wir zwar nicht mehr an die Verheißungen eines »Gesamtkunstwerkes« oder die Erschaffung des »Neuen Menschen«. Aber der Mut und die Radikalität des historischen Bauhauses verpflichten auch die Bauhaus-Universität Weimar heute. Am Gründungsort des Bauhauses schreibt sie dessen Geschichte weiter, ohne sie zu wiederholen, sondern indem sie sich der Gegenwart zuwendet.