Was für begabte Frauen am Bauhaus der Weimarer Republik oft nur gegen Widerstände möglich schien, ihre Formierung als selbstbestimmte, ästhetisch und ökonomisch eigenständige weibliche Persönlichkeiten, als Formgestalterinnen und freie Künstlerinnen, das ist heute Programm der modernen, geschlechtergerechten Ausbildung an der Bauhaus-Universität Weimar, der Kunsthochschule des Freistaats Thüringen. Auch den Absolventinnen sollte es unter den sozioökonomischen Rahmenbedingungen in Deutschland leichter fallen als den historischen Bauhäuslerinnen, ihre eigenen Visionen von der Selbstverwirklichung durch künstlerische und gestalterische Betätigung in eine nachhaltige Praxis zu überführen, oder?
Um dieser Frage nachzugehen, wurden dreißig künstlerische Positionen ausgewählt, schwerpunktmäßig aus dem Studiengang Freie Kunst der Fakultät Kunst und Gestaltung, geschaffen von Professorinnen, Dozentinnen, wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Absolventinnen der Bauhaus-Universität Weimar, um sie in einer Ausstellung zu präsentieren. Hier steht ihr Werk pars pro toto für eine Situation, welche die künstlerische Selbstentfaltung von Frauen als eine Selbstverständlichkeit ansieht, in der gerechte Strukturen für die Entwicklung von Menschen jedweden Geschlechts zu den gesetzlich verankerten Zielen staatlichen Handelns gehören, auch wenn die Praxis noch manches zu wünschen übrig lässt.
Die vielfältigen, qualitativ bemerkenswerten, oft genug auch staunenswerten Zeugnisse ästhetischer Kreativität in dieser Ausstellung sollen nicht deshalb herausgestellt werden, weil die Veranstalter glauben, dass ihre Besonderheit in ihrer weiblichen Konnotation liege. Nein, sie sind besonders, weil sie formale und inhaltliche Konsequenz auszeichnet, weil sie Innovatives, Einmaliges, Überraschendes, Irritierendes, Erzählerisches, Nachdenkliches, Spielerisches, Ironisches, handwerklich Brillantes oder ausgesprochen Praktisches bieten in ihren Perspektiven auf unsere Welt, weil sie als gestaltete Form und geformte Idee beziehungsweise Vorstellung überzeugen, in ihrer Ambivalenz ebenso wie in ihrer Stringenz – und dabei vielleicht nur selten etwas aufweisen, das man als genuin weiblich (gedacht, gefühlt, geformt) bezeichnen könnte. Sie sind also im besten Sinne gute Form und gute Kunst, ohne besondere Geschlechterzuordnung, wenn auch mitunter Genderthemen aufgreifend.
Wir halten das heute für selbstverständlich, und das ist ein gutes Zeichen. Denn vor rund einhundert Jahren war es das nicht. So fungiert die Auswahl der Ausstellung gleichsam als Spiegel, eine Art Rückspiegel, der uns zeigt, wie verschieden die Situation heute von derjenigen ist, die nun einhundert Jahre (und irgendwie sogar Welten) zurückliegt. Wie viel gewonnen wurde seitdem. Auch wenn noch lange nicht alles zufriedenstellend wäre für begabte Frauen im aktuellen Kunstbetrieb.
(Ankündigung der Kunsthalle Erfurt)
Vernissage:
Donnerstag, 18. April 2019, 18 Uhr
Ausstellungsdauer:
19. April bis 14. Juli 2019
Ausstellungort:
Kunsthalle Erfurt
Fischmarkt 7
99084 Erfurt
Begleitprogramm
Veranstaltungen
5. Mai, 15 Uhr
Zaunhüter und Grenzgänger
Häkeltreff mit Granny Squares, Nina Lundström
8. Mai, 19 Uhr
Chancengleich? Künstlerinnen heute
Podiumsdiskussion mit Liz Bachhuber, Verena Krieger, Carina Linge, Larissa Kikol, Kristian Jarmuschek
Moderation: Susanne Knorr und Kai Uwe Schierz
Lange Nacht der Museen am 17. Mai, 18-24 Uhr
18.30 und 19 Uhr
Kurzführungen durch die Kuratoren
Scouts der Bauhaus-Universität Weimar stehen als Ansprechpartner für den Abend zur Verfügung.
29. Mai, 19 Uhr
Screening 1
Verena Kyselka (Videokünstlerin & Performerin, Berlin)
5. Juni, 19 Uhr
Screening 2
Nina Lundström (Videokünstlerin, Weimar)
Führungen
donnerstags, 19 Uhr
25. April, 9. Mai, 23. Mai, 6. Juni, 20. Juni, 4. Juli
sonntags, 11.15 Uhr
5. Mai, 19. Mai, 2. Juni, 16. Juni, 30. Juni, 14. Juli
Ausstellende Künstlerinnen:
Liz Bachhuber, Danica Dakić, Nicole Degenhardt, Elfi E. Fröhlich, Nadine Göpfert, Jana Gunstheimer, Christiane Haase, Heike Hanada, Christine Hill, Franziska & Sophia Hoffmann, Katharina Hohmann, Indra Kupferschmid, Verena Kyselka, Meike Langer, Carina Linge, Ricarda Löser, Nina Lundström, Barbara Nemitz, Nina Röder, Naomi Tereza Salmon, Tonia Schmitz, Theresa Schubert, Anke Stiller, Laura Straßer, Maria Vill, Leonie Weber, Karen Weinert, Rosmarie Weinlich, Nadine Wottke, Lusha Ye